Anmerkungen:

Weil für Andersen die (Be-) Deutung eines Wortes immer vom System alleine bestimmt wird und somit eine individuelle Sache ist, erklärt er seine Ansicht von bestimmten - von ihm in seinem Buch benutzten Worten..

Andersen weist dabei darauf hin, daß für Bateson das Wort "Unterschied" zwei Bedeutungen hat:

"Erstens, wenn etwas als getrennt von seinem Hindergrund unterschieden wird; zweitens ist eine Veränderung ein Unterschied in Zeit, die durch einen Unterschied hervorgebracht wurde" (Andersen 1990, 32) .

Für Glasersfeld ist die Möglichkeit bzw. Methode, etwas durch Verneinung zu bestimmen, die einzige Möglichkeit, eine ontologische "Realität" zu erkennen. "Das menschliche Subjekt kann dieser Welt nur dort begegnen, wo eine Denk- oder Handlungsweise das angestrebte Ziel verfehlt - aber bei allen Fehlschlägen gibt es keine Möglichkeit zu entscheiden, ob der Mangel an Erfolg auf eine Unzulänglichkeit des gewählten Zugangs oder auf ein unabhängiges ontologisches Hindernis zurückzuführen ist".

Roth trennt hier, im Gegensatz zu Maturana, zwischen Autopoiese bzw. Leben und Kognition.

"Es ist ja das Charakteristikum der kognitiven Tätigkeit des Gehirns, daß sie - wenn nur auf irgendeine Weise die Fortexistenz des Organismus gesichert ist - von der Verplichtung zur Überlebensförderung entbunden ist. Die Autonomie des Gehirns ist ganz wesentlich eine Freisetzung von der Existenzerhaltung: Das Gehirn kann sich immer mehr mit Dingen beschäftigen, die nur sehr indirekt oder überhaupt nichts mit Überleben zu tun haben (oder ihm auf Dauer sogar entgegenwirken). Dies ist gerade die Grundlage der spezifischen Leistung menschlicher Kognition, nämlich Konstitution von Wirklichkeit und damit Handlungsplanung zu betreiben, d.h. etwas zu tun, was noch keinen Nutzen für den Organismus hat. (Roth 61).

"Zugleich aber unterliegt Kognition, indem sie von der Autopoiese (des Organismus) erhalten wird und nicht für ihre eigene materielle Existenz sorgen muß, nicht denselben Gesetzmäßigkeiten, die für die Autopoiese gelten. Sie konstituiert einen grundsätzlich neuen Seinsbereich, denn sie schafft Prozesse, nämlich die der Selbstbeschreibung, die es in der physikalisch-chemischen Welt der Autopoiese grundsätzlich nicht gibt" (Roth, 65) .

Bei einem Menschen, der in einer Beziehung zu etwas anderem steht, verlaufen, so Andersen, zwei "innere" Prozesse und ein "äußerer" Prozeß parallel zueinander. Diese Prozesse bestehen aus fortwährenden "Ausweitung(en) der Akte des Wahrnehmens, Erkennens und Handelns". Andersen denkt dabei an "zwei ´innere` Gespräche und ein ´äußeres`. . Ein Teil des ´inneren` Gesprächs handelt davon, was ein bedeutsamer Inhalt des ´äußeren` Gesprächs ist und wie dieses ´äußere` Gespräch am besten ablaufen kann.

Anscheinend spricht ein Mensch ständig mit sich selbst darüber, wie er sich durch Konversation anschließt, um neue und hilfreiche Perspektiven (Beschreibungen und Erklärungen) zu gewinnen, ohne das die eigene Integrität verletzt wird" (vgl.: Andersen 1990, 42 ff.) .

Denn wenn dieser Satz richtig ist, dann ist er falsch, denn er vermittelt eine Absolutheit und scheinbare Objektivität, die er ja aber gerade bestreitet denn das, was auch immer sich auf eine Gesamtheit bezieht, nicht selbst Teil dieser Gesamtheit sein kann ohne in die Paradoxie der Rückbezüglichkeit zu fallen. Menge und Element müssen strikt auseinandergehalten werden - das Bild ist nicht das Abgebildete, der Name nicht das Benannte, eine Erklärung der Wirklichkeit nur eine Erklärung und nicht die Wirklichkeit selbst.

Anscheinend spricht ein Mensch ständig mit sich selbst darüber, wie er sich durch Konversation anschließt, um neue und hilfreiche Perspektiven (Beschreibungen und Erklärungen) zu gewinnen, ohne das die eigene Integrität verletzt wird" (vgl.: Andersen 1990, 42 ff.) .

Um aber den Nachweis einer Widerspruchsfreiheit zu erbringen, ist es für das betreffende System unumgänglich, aus seinem eigenen Begriffsrahmen herauszutreten und seine Geschlossenheit und Vollkommenheit von außen her, unter Zuhilfenahme von Erklärungsprinzipien zu beweisen, die es nicht aus sich selbst hervorbringen kann.

Die Widerspruchsfreiheit eines solchen Metarahmens kann jedoch wieder nur innerhalb eines Metarahmens eines noch weiter gefaßten Systems bewiesen werden, dessen logische Folgerichtigkeit wiederum nicht aus seinen eigenen Sätzen heraus beweisbar ist, und so weiter. Russell spricht hier von der "Menge aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten kann".

Und weil damit aber auch jeder Anspruch auf Vollkommenheit und Endgültigkeit verfällt spricht Foerster hier vom "Apostel des Aufruhrs im Königreich der Orthodoxie". (vgl.: Watzlawick 1985, 192, 229 ff.)

Alle Versuche, die Widersprüchlichkeit des Radikalen Konstruktivismus - nämlich die Begründung seiner antirealistischen Philosophie durch realistische Deutung von Erkenntnissen empirischer Theorien - zu eliminieren führt zu immer neuen Widersprüchen, aber dennoch ist der Radikale Konstruktivismus "eine realistische Erkenntnistheorie, die empirische Argumente benutzt". (Luhmann 1990 in Reiter 1992, 26)

Maturana & Varela benennen vier Bedingungen, die beim Aufstellen einer wissenschaftlichen Erklärung erfüllt sein müssen:

Beobachter annehmbaren Weise.

2. Die Aufstellung eines Systems von Konzepten, das fähig ist, das zu erklärende Phänomen in einer für die Gemeinschaft der Beobachter annehmbaren Weise zu erzeugen.

(explikative Hypothese)

3. Eine - ausgehend von Punkt 2. - Ableitung von anderen in dieser Aufstellung nicht explizit

berücksichtigten Phänomenen, sowie eine Beschreibung der Beobachtungsbedingungen in der Gemeinschaft der Beobachter.

4. Beobachtung dieser aus Punkt 2 abgeleiteten Phänomene unter Berücksichtigung von

Punkt 1-4. (vgl.: Maturana & Varela 1987, 34 ff.)

Auch Ulrich Beck (1986) hält das Denken und Forschen in den traditionellen Großgruppen-Kategorien wie Stände, Klassen oder Schichten für fragwürdig. In Becks Augen ist das innergesellschaftliche Koordinatensystem der Industriegesellschaft infolge eines Modernisierungsprozesses brüchig geworden. Ihr soziales Binnengefüge wie zum Beispiel: soziale Klassen, Familienformen, Geschlechtslagen, Ehe, Elternschaft, Beruf - und die damit verbundenen "Basisselbstverständlichkeiten der Lebensführung" werden ausgedünnt und umgeschmolzen. Er führt diese Vorgänge auf "Globalgefährdungslagen" zurück, die aus der Verteilungslogik von Modernisierungsrisiken entstehen, jedoch teilweise durch gesellschaftliche, biographische und kulturelle Risiken und Unsicherheiten überlagert werden.

Der gesellschaftliche Individualisierungstrend und Individualität sind jedoch zweierlei, denn es ist fraglich, ob sich die Menschen dem Ideal der Aufklärung - dem autonomen Individium - je nähern werden. Zu viele Möchtegern-Individualisten gehen, meiner Meinung nach, den Verheißungen einer von Werbebotschaften vorgetäuschten Einzigartigkeit auf den Leim. Während immer mehr Menschen glauben, besondere Dinge zu tun, wenn sie das besondere Shampoo benutzen oder die ganz andere Zigarette rauchen, machen faktisch immer mehr Menschen das gleiche: Sie fahren zum Erlebnis-Urlaub nach Fuerteventura, sie legen sich beim Psychiater auf die Couch, und abends schauen sie sich im Kino einen der Hollywood-Filme an, die sich auch die Menschen in Rio oder London ansehen.

Der Zerfall alter Ideen und Werte und die noch nicht vollständige Inkarnation sinnstiftender Neuer hat ein Wirrwarr von Meinungen, Gesellschafts- und Lebensmodellen hinterlassen. Die meisten Menschen sind mit der Unübersichtlichkeit der gesellschaftlichen Zusammenhänge überfordert, sie fühlen sich immer mehr auf sich selbst zurückgeworfen, fast alle auftauchenden Probleme, von Liebeskummer über Arbeitslosigkeit bis zur Fettleibigkeit werden als individuelles Versagen gewertet. Die persönliche Krise, die vor 20 Jahren noch als Ausnahme oder vorübergehendes Problem sinnsuchender Männer in der Lebensmitte galt, ist zu einem Massenphänomen geworden. Die Vielfalt von Werten und Lebensformen muß jedoch nicht unbedingt geradewegs in die Barbarei führen, die Auflösung traditioneller Lebensformen kann mit der Etablierung neuer Kulturen und Werte einhergehen.

Neue politische Gruppierungen, Freundschaftskreise, Nachbarschaftsinitiativen - der Einzelne steht zunehmend im Mittelpunkt, ständig muß er auswählen, bewerten, entscheiden. Er ist immer gefordert, und immer mehr sind überfordert. Zu den Verlierern gehören jene, die den verschärften Anforderungen durch immer mehr und immer vielfältigere Lebensmodelle und Handlungsmuster nicht gewachsen sind. Ihre Überforderung kann sich in psychischen Krankheiten wie Resignation oder Depression äußern, aber auch in einer Glorifizierung der Vergangenheit - zum Beispiel in einer Hinwendung zu fundamentalistisch-abgeschlossenen Entwürfen, wie sie von Sekten oder rechtsradikalen Vereinigungen angeboten werden.

Sicher ist jedenfalls, daß jede private Bindung in der zersplitterten Gesellschaft neue Bedeutung erhält. Wenn Gemeinschaften nicht durch Ehe, Familie, durch Nachbarschaft oder den lebenslangen Arbeitsplatz garantiert sind, wird es wichtiger denn je, Freundschaften zu suchen und zu pflegen. Und gerade in einer solchen Ich-Kultur, die den einzelnen ständig mit dem Risiko der Vereinsamung bedroht, wächst die Chance zu besseren zwischenmenschlichen Beziehungen, denn Menschen, die nicht mehr auf eine Familie oder Ehepartner zurückgreifen können, gehen in der Regel viel bewußter und behutsamer mit den Leuten um, die an ihrem Leben teilhaben. Sie benehmen sich plötzlich sensibel und sozial - aus Egoismus. (vgl.: Hausarbeit: Sozialstruktur SS 94)

Der Descartsche Ansatz ist ein lineares Paradigma. Es geht von der Annahme aus, daß die Welt aus materiellen Grundbausteinen besteht und für den Menschen ganz klar und eindeutig eine objektive Wirklichkeit darstellt, die durch traditionelle gesetzesartige Aussagensysteme beschreibbar ist. Die praktische Konsequenz dieses Denkens ist ein ungebrochener und unreflektionierter Glaube an ein unbegrenztes technisch-wirtschaftlich-materielles Wachstum, verbunden mit der Fiktion eines deutlichen Machbarkeitswahns. Es sind vor allem naturwissenschaftliche Erkenntnisse, von denen man glaubt und erhofft, sich die Welt zum Untertan machen zu können.

Eng verbunden damit ist auch das Ursachenkonzept, das auf der Erwartung beruht, daß alle Phänomene durch eine Reduktion auf ihre Teile verstehen zu können, sozusagen ein "pragmatischer Reduktionismus".

Diese Weltanschauung hat wesentlich zur Entwicklung der westlichen Kultur und Gesellschaft beigetragen, sie beginnt allerdings jetzt - wo die zu untersuchende oder zu erklärende Wirklichkeit ein gewisses Maß an Komplexität übersteigt - zu versagen. (vgl.: Capra, 15 ff.)

"Ein schönes Beispiel ist ein Handbuch, DSM genannt (Diagnostisch-statistisches Handbuch), das in Amerika existiert und nun auch auf Europa übergreift. Von diesem Handbuch bestehen bereits vier aktualisierte Ausgaben, und bei der dritten Auflage gab man dem gesellschaftlichen Druck nach uns strich die Homosexualität von der Liste der seelischen Erkrankungen. Das war der größte therapeutische Erfolg, der jemals erzielt wurde, denn mit einem Federstrich waren Millionen von Menschen von ihrer "Krankheit" geheilt." (Watzlawick 1995, 61)

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