Worte sind nichts.
Worte sind alles.
Wir haben nichts anderes.


(Arthur Schnitzler) [1]

EINLEITUNG:
 

In dieser Arbeit werde ich mich mit der sozialen Konstruktion von Geschlechterdifferenz und einer daraus abgeleiteten Geschlechterhierarchie beschäftigen. Mein Ausgangspunkt ist, daß von den meisten Gesellschaftsmitgliedern „Geschlecht“ als eine objektivierbare, natürliche biologische Kategorie betrachtet wird - „dies verleiht dem Konstrukt und vielen seiner Konsequenzen die Dignität naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, die wiederum weithin die Funktion des Synonyms für Wahrheit, Objektivität übernommen haben und - so überhaupt - nur partielle Veränderungen in eben deren Sinn und Methodik möglich machen“. [2]

(vgl.: Gildemeister 1992: 237)

Feministische Theorie [3] und Politik leisten nun einen zentralen Beitrag zur Demokratisierung des Gesellschafts- und Geschlechtervertrags indem sie die traditionelle, liberal verfaßte Demokratie aus einer nicht-hierarchischen Perspektive reformulieren. Theoretische und politische Zielperspektive ist ein egalitäres Geschlechterverhältnis.

Obwohl und gerade weil mich der Feminismus sehr interessiert und ich feministische Kritik begrüße, stehe ich in der ambivalenten Situation, gleichzeitig „Zeuge und Zielscheibe“ zu sein. Dieses und die sich daraus ergebenden Fragen sind für mich im Augenblick komplexe Themen, für die ich keine einfachen Lösungen kenne. Aber auch Morris Taggart (1991) stellt sich diese Fragen einer Standortbestimmung und kommt nach der Betrachtung verschiedener Ansichten zu einer Meinung, der auch ich mich anschließen kann, nämlich:

„... daß ein Mann kein Feminist sein kann. Männer, die sich als Feministen bezeichnen, fordern zu viel und machen es sich zu einfach. Der Irrtum, so glaube ich, liegt in der typisch liberalen Gefühlsduselei, daß es eine Aufwertung bedeutet, „Feminist“ zu sein. Eine solche Definition läßt den historischen, philosophischen und politischen Charakter des Feminismus unberücksichtigt.“ 

(Taggart 1991: 87)

 „Die Geschichte aller Freiheitskämpfe zeigt“, sagte die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland in ihrer Abschlußrede bei der 4. UN-Weltfrauenkonferenz, „daß Leben, Freiheit, Gleichheit und Chancen niemals gegeben wurden. Sie sind immer genommen worden.“  Nur die Frauen selbst also und Männer, die verstehen, werden die Apartheit der Geschlechter überwinden können.

Im ersten Abschnitt dieser Arbeit werde ich kurz die konstruktivistische Erkenntnistheorie darstellen um darauf aufbauend Wirklichkeit als kosensuelles Phänomen verstehen zu können. Die soziale Konstruktion von Geschlecht in der westlichen Industriegesellschaft des 20.Jahrhunderts ist Gegenstand des zweiten Abschnitts. Im dritten Abschnitt werde ich zeigen, wie die Geschlechterdifferenz die gesellschaftlichen Herrschafts und Machtverteilung strukturiert. Das Denken der Differenz und die daraus entwickelte Neu-Konzeption von Gleichheit bildet den vierten Abschnitt und zugleich die Grundlage für ein feministisches Politikverständnis, das mit dem fünften Abschnitt diese Arbeit abschließt.

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