Feministische Theorien und Familienberatung

Wer nicht vom Weg abweicht,

bleibt auf der Strecke.

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Einleitung:

Obwohl und gerade weil mich der Feminismus sehr interessiert und ich feministische Kritik begrüße, stehe ich in der ambivalenten Situation, gleichzeitig "Zeuge und Zielscheibe" zu sein.

Was, aber vor allem - kann ich überhaupt als Mann und somit als Vertreter des Patriarchats etwas tun, um Frauen im Kampf gegen ihre Unterdrückung zur Seite zu stehen? Dieses und die sich daraus ergebenden Fragen sind für mich im Augenblick komplexe Themen, für die ich keine einfachen Lösungen kenne.

Aber auch Morris Taggart (1991) stellt sich diese Fragen einer Standortbestimmung und kommt nach der Betrachtung verschiedener Ansichten zu einer Meinung, der auch ich mich anschließen kann, nämlich:

"... daß ein Mann kein Feminist sein kann. Männer, die sich als Feministen bezeichnen, fordern zu viel und machen es sich zu einfach. Der Irrtum, so glaube ich, liegt in der typisch liberalen Gefühlsduselei, daß es eine Aufwertung bedeutet, "Feminist" zu sein. Eine solche Definition läßt den historischen, philosophischen und politischen Charakter des Feminismus unberücksichtigt" (S.87).

  "Die Geschichte aller Freiheitskämpfe zeigt", sagte die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland in ihrer Abschlußrede bei der 4. UN-Weltfrauenkonferenz, "daß Leben, Freiheit, Gleichheit und Chancen niemals gegeben wurden. Sie sind immer genommen worden." Nur die Frauen selbst also und Männer, die verstehen, werden die Apartheit der Geschlechter überwinden können."Die Verabschiedung der Platform of Action in Peking (im Sommer 1995), mit der die Regierungen der Welt in sechs Kapiteln mit 363 Paragraphen aufgefordert werden, das hartnäckigste Unrecht dieser Welt zu bekämpfen, nämlich "die brutale oder subtile, aber allgegenwärtige Unterdrückung der Hälfte der Menschheit, der Frauen" - hat nicht mehr Wert als eine moralische Referenz; denn den politischen Druck müssen die Frauen selbst erzeugen.

Doch die Abschaffung des Patriarchats ist schwerer denn je. "Globalisierung der Wirtschaft heißt noch mehr Ausbeutung der billigen Arbeitskraft Frau; Gewalt gegen Frauen hat zugenommen; der internationale Sexsklavenhandel treibt schreckliche Blüten; die politische Teilhabe aber hat, weltweit gesehen, einen Tiefststand erreicht."

Der schärfste Konflikt besteht jedoch zwischen säkularen und fundamentalistischen Staaten. "Fast wortgleich verdammen katholischer, vom Vatikan angeführter, und islamischer Fundamentalismus Buchstaben und Geist des Menschenrechts-Dokuments: Es gefährde nationale Souveränität, Ehe, Familie, Mutterschaft".
 
 

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Eine mögliche Sicht der Wirklichkeit beruht nun aber auf der Erkenntnis, daß alle Phänomene - physikalische, biologische, psychische, gesellschaftliche und kulturelle - grundsätzlich miteinander verbunden sind. Gregory Bateson, Fritjof Capra u.a. sehen darin die Bestandteile eines geistigen Gesamtzusammenhangs, in welchem wir uns nur in "Koevolution" mit allen anderen Lebewesen entfalten können.

Statt auf Grundbausteine oder Grundsubstanzen konzentriert sich diese Systemlehre auf grundlegende Organisationsprinzipien. Das Funktionieren eines Organismus wird demnach durch ein zyklisches Muster von Informationen innerhalb verschiedener Rückkopplungsschleifen gelenkt.

Bricht ein solches System zusammen, dann ist die Panne meist durch multiple Faktoren verursacht, die sich durch voneinander abhängigen Rückkopplungsschleifen gegenseitig verstärken. Welcher von diesen Faktoren den Zusammenbruch des Systems schließlich ausgelöst hat, ist oft belanglos. (vgl.: Capra, Fritjof 1994, 239 ff.)

"Die innere Gestaltbarkeit und Flexibilität lebender Systeme, deren Funktionieren mehr von dynamischen Zusammenhängen als von starren mechanischen Strukturen kontrolliert wird, läßt eine Anzahl charakteristischer Eigenschaften entstehen, die man als verschiedene Aspekte desselben dynamischen Prinzips ansehen kann - des Prinzips der Selbstorganisation." (Capra, 298)

Da ich aber nicht imstande bin, die "Wahrheit" beziehungsweise die "Welt als solche" zu erkennen und nach meiner Meinung auch sonst niemand einen privilegierten Zugang zu einer "Wirklichkeit da draußen" besitzt, bleiben alle Aussagen darüber, wie "Wirklichkeit" organisiert ist oder sein sollte, persönliche und subjektive Festlegungen.

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Feministische Kritik

Der Kampf der Frauen, sich selbst in diesem oder einem anderen Kontext zu definieren, wirft tiefgreifende theoretische und epistemologische Fragen auf. Es mag vielleicht als weithergeholt erscheinen, die Epistemologie heranzuziehen, wenn es in der Familientherapie um die alltäglichen praktischen Fragen geht, "aber die Erkenntnis der Frauen, daß sie diejenigen sind, die ihre Natur und ihre Stellung in menschlichen Beziehungen zu definieren haben, weist auf einen radikalen Bruch mit bisherigen Theorien und Definitionen hin" (Taggart, 71) .

Feminismus wird mit Theoriebildung verbunden und Theoriebildung ist ein, wenn nicht sogar der Schwerpunkt der Frauenbewegung. "Er legt den patriarchalen Gehalt aller kulturellen Hervorbringungen des Mannes - der sich traditionell als Mensch schlechthin definiert - bloß und kritisiert diese." Unter Feminismus wird in diesem Zusammenhang auch der "Psychologische Befreiungsprozeß der Frau aus der Identifikation mit dem Mann" verstanden. (Pöschel, Rita 1995, 7)

Um feministische Erkenntnisse nun in der Familientherapie M umsetzen zu können, müssen sie zuallererst einmal öffentlich gemacht und begründet werden. Wenn in der familientherapeutischen Literatur jedoch systematisch abgelehnt wird, geschweige denn in Angriff genommen wird, was feministische FamilientherapeutInnen zu sagen haben, "so sei es den Feministinnen verziehen, wenn sie die daraus folgenden Implikationen als unheilvoll ansehen. [...] Durch die Weiterführung der Familientherapie ohne Berücksichtigung der feministischen Kritik halten FamilientherapeutInnen an der patriarchalen Zielsetzung fest, indem sie sie als umfassend und normativ präsentieren, obwohl sie eigentlich partiell und atypisch ist" (Taggart, 73).

Viele ´systemische` FamilientherapeutInnen bagatellisieren den Ursprung von Familienproblemen, indem sie behaupten, daß Interaktionen im Hier und Jetzt wichtiger sind. Feministische SystemtheoretikerInnen arbeiten jedoch mit einem erweiterten systemischen Modell, das feststellt, "daß die untergeordnete Stellung von Frauen historisch bedingt ist und sich heute noch in der Familie fortsetzt. Wenn man ahistorisch denkt, kann man fälschlicherweise leicht zu der Annahme kommen, daß Frauen und Männer den gleichen Einfluß auf ihr soziales Umfeld haben."

Die Nichtberücksichtigung der nicht nur geschichtlich erwiesenen Ungleichheit der Geschlechter verleitet viele FamilientherapeutInnen dazu, "Frauen als ebenso einflußreich wie Männer und somit als gleichermaßen verantwortlich für die Erhaltung dysfunktionaler Familienstrukturen, einschließlich jener, in denen Frauen mißbraucht und gequält werden", zu sehen.

Zur Verfestigung der ungleichen Machtpositionen innerhalb von Familien führt zudem die Erwartung, daß Mann und Frau sich im gleichem Ausmaß verändern sollten - denn damit bleiben die vor der Behandlung bestehenden Ungleichheiten erhalten. (vgl.: Wheeler, Dorothy u.a. 1991, 116)
 
 

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Feministische TherapeutInnen sehen im traditionellen Familienbild die Ehefrau mit der Erwartung konfrontiert, daß diese ihre eigenen Interessen denjenigen der Familie unterordnet sowie den Ehemann der Verpflichtung gegenüberstehend, mit aller Kraft seine Individualität und Autonomie zu maximieren. Eine feministische Alternative in der Beratung wäre nun, "die Maximierung von Individualität und Autonomie eines jeden Familienmitglieds (zu) unterstützen - bei annähernd gleicher Verteilung von Anpassung und Unterordnung der individuellen Bedürfnisse".

Ebenso wichtig erscheint es, die Beziehung zwischen Rollen und Geschlechtszugehörigkeit zu prüfen und gegebenenfalls die Entstehungsprozesse zu verdeutlichen.

"Wichtig ist, daß die Zuteilung solcher Rollen, die ausschließlich über das Geschlecht bestimmt werden, minimal ist. Es sei denn, die Rollen wurden selbst so gewählt im Zuge zwischenmenschlicher Verhandlungen und eben nicht deshalb, weil sie nun einmal geschlechtspezifisch sind" (Whleer, 120) .

Hierarchie und Organisation können ein und dasselbe sein. Symptome können dadurch entstehen, daß die jeweilige Hierarchie/Organisation verworren oder unklar erscheint. Ohne Hierarchie, und damit ist eine "angemessene Differenzierung, Abgrenzung und intergenerationale Grenzsetzung" gemeint, ist eine ausgeglichenen Systemstruktur nicht möglich.

Mit einer "angemessen Differenzierung" meine ich eine ausgehandelte, gleichberechtigte Bewertung. Um zu vermeiden, daß primäre und sekundäre Statuspositionen - in denen sich Verhalten und Beziehungen zu Gegensätzen entwickeln - entstehen, sollten die hierarchische Arrangements innerhalb einer Generation minimiert werden.

Um das zu erreichen, muß Frauen und Mädchen dazu verholfen werden, "ihre Vorstellungen von Weiblichkeit, im Hinblick darauf überprüfen zu können, welche Kompetenzen, Interessen und Bedürfnisse sie in Wirklichkeit haben". Und Männer und Jungen müssen sich fragen, was sie über Frauen und Mädchen denken.

Zudem müssen sich beide Menschengeschlechter hinterfragen, "welche Sozialisation sie hinsichtlich Beziehungsfähigkeit, Fürsorge und Intimität erfahren haben" und wie sie sich mit den gewonnenen Erkenntnissen arrangieren. Arrangieren im Sinne von "sich mit jemandem verständigen und eine Lösung für etwas finden; eine Übereinkunft treffen trotz gegensätzlicher oder abweichender Standpunkte". (S. 120)

Als "psychisch gesund" wird aus feministischer Sicht eine Familie dann angesehen, wenn jedem einzelnen Familienmitglied bewußt ist, daß Politik und Gesellschaft permanent persönliches Leben und damit zwischenmenschliche Beziehungen beeinflußt. "Was anfangs als persönliche Unzulänglichkeit definiert wurde, wird dann als gesellschaftlich vorgeschrieben angesehen". Wichtig für mich ist dabei die Gleichberechtigung zwischen individuellem Wohlbefinden und gesellschaftlichen - beziehungsweise familiärem Wohlbefinden. Im feministisch-familientherapeutischem Sinn bedeutet dies:
 
 

"Wenn individuelle und familiäre Bedürfnisse sich widersprechen, sollten die familiären Bedürfnisse nicht notwendigerweise auf Kosten der individuellen Bedürfnisse unterstützt werden. Wenn eine Frau z.B. wieder die Schule besucht oder einer Erwerbstätigkeit nachgeht, kann das die familiäre Stabilität bedrohen. Die feministische Familientherapeutin würde eine solche Veränderung durch Umstrukturierung und durch Verteilung von Funktionen unterstützen" (S. 121) .

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Feministische Familientherapie-Vorstellungen

Um stereotypen weiblichen und männlichen Rollenzuweisungen zu entkommen, können, - vielleicht bevorzugt erwünschte - alternative Wahlmöglichkeiten möglicher therapeutischer Ziele in die Familientherapie integriert werden. Möglich wären neben anderen:
 
 

Dorothy Wheeler entwickelte zusammen mit anderen ein Familientherapiemodell, mit dessen Hilfe sie wahrnehmungs-, konzeptions- und aktionsbezogene Fertigkeiten beschreiben. Mit Wahrnehmungs- und konzeptionsbezogene Fertigkeiten sind diejenigen gemeint, "die bereits im Kopf von TherapeutInnen vorhanden sind".

Wobei wahrnehmungbezogene Fähigkeiten sich auf "die Fähigkeit der TherapeutInnen, sachgemäße und zutreffende Beobachtungen zu machen" bezieht, während "konzeptionsbezogen ´den Prozeß der Zuordnung von Bedeutung zu Beobachtungen oder der Anwendung früherer Erfahrungen auf die spezifische therapeutische Situation` meint". (S.120)

Diese innern kognitiven Vorgänge hängen jedoch in der Praxis des alltäglichen Lebens so eng zusammen, daß es schwierig ist, sie auseinanderzuhalten.

Handlungen oder Reaktionen der TherapeutInnen stellen die aktionsbezogenen Fertigkeiten der TherapeutInnen dar. Darin eingeschlossen sind sowohl das konkrete therapeutische Handeln als auch die innere gefühlsmäßige Reaktion der TherapeutInnen. Therapeutisches Vorgehen ist somit wegen der engen Beziehung zwischen Denken, Fühlen und Handeln "abhängig von einer angemessenen wahrnehmungsbezogenen und konzeptionellen Basis."

Was also in der Praxis als ein geschlossenes Ganzes erscheint, kann nun theoretisch in drei unterschiedliche Strategie-Bereiche geteilt und getrennt voneinander betrachtet werden, wobei jedes Blickfeld "jeweils ein notwendiges Fundament für das andere darstellt" (S. 122) .

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Feministische Wahlverwandtschaft

"Betrachtet man die intellektuelle und universitäre Kultur der westlichen kapitalistischen Demokratien, so haben sich der Feminismus und das postmoderne Denken zu den beiden führenden Gedankenströmungen unserer Zeit entwickelt" (Benhabib, Seyla 1993, 9) .

Die sich in letzter Zeit immer häufiger angesprochene Beziehung des Feminismus zur Postmoderne bewegte feministische TheoretikerInnen dazu, vergleichende Positionsbestimmungen zu entwerfen. Beide Denkmodelle werden dabei nicht nur als beschreibende Kategorien verwendet, sondern zugleich als "konstitutive und evalutive Begriffe, die die Praktiken, die sie zu beschreiben versuchen, zugleich prägen und definieren helfen. Als Kategorien der Gegenwart entwerfen sie Denkmodelle der Zukunft und Bewertungen der Vergangenheit".

Seyla Benhabib weist daraufhin, das, zum Beispiel durch einen analysierenden Vergleich der feministischen Version von drei - aus der Postmoderne entnommenen - Thesen über Todesfälle, es vielleicht möglich ist, in der Postmoderne und ihrer Kritik an den Idealen der westlichen Moderne "mehr als nur einen kongenialen Verbündeten zu finden" (S. 9) .

Anhand der, von Jane Flax vorgenommenen Positionsbestimmungen der Postmoderne durch deren Thesen vom Tod "des Menschen", "der Geschichte" und "der Metaphysik" entwickelt Seyla Benhabib drei feministischen Kontrapunkte, - Thesen "der Entmystifizierung des männlichen Subjekts der Vernunft", "der Einschreibung der Geschlechterdifferenz (engendering) in die historische Erzählung" und "der feministischen Skepsis gegenüber den Ansprüchen der transzendentalen Vernunft" (S. 11) .
 
 

Der Tod des Menschen wird, in der feministischer Interpretation der Postmoderne folgendermaßen beschrieben:

"Die postmodernen Denker möchten alle essentialistischen Auffassungen des Menschen oder der Natur zerstören [...] Tatsächlich ist der Mensch ein gesellschaftliches, geschichtliches oder sprachliches Artefakt und kein noumenales oder transzendentales Wesen [...] Der Mensch ist für immer im Gewebe der fiktiven Bedeutung gefangen, in der Kette der Bezeichnungen, in der das Subjekt nur eine weitere Position in der Sprache darstellt" (Flax in Benhabib, 10) .

Das feministische Gegenstück dazu - die Entmystifizierung des männlichen Subjekts der Vernunft - begründet sich damit, daß die westliche Philosophie zwar die "Tiefenstrukturen der Erfahrungen und des Bewußtseins eines Ich" zum Ausdruck bringt, in ihren tiefsten Kategorien jedoch die Differenzen zwischen den Geschlechtsidentitäten auslöscht. "Von Platon über Descartes bis zu Kant und Hegel thematisiert die westliche Philosophie lediglich die Geschichte des männlichen Subjekts der Vernunft" (S. 11) .
 
 

Der Tod der Geschichte:

"Die Vorstellung, daß die Geschichte für den Menschen existiert oder sein Wesen darstellt, ist nicht nur eine weitere Voraussetzung und Rechtfertigung für die Fiktion des Menschen. Denn diese Vorstellung begründet und trägt den Begriff des Fortschrittes, der selbst einen höchst wichtigen Teil der Geschichte vom Menschen darstellt [...] Eine solche Vorstellung vom Menschen und von der Geschichte gibt solchen Begriffen wie Einheit, Homogenität, Totalität, Abgeschlossenheit und Identität den Vorrang und setzt ihren Wert voraus." (Flax in Benhabib, 10) .

Mit der Einschreibung der Geschlechterdifferenz in die historische Erzählung wird ein Kontrapunkt zur Verkörperung des weißen, vermögenden, christlichen und männlichen Haushaltsvorstandes als Subjekt der westlichen intellektuellen Geschichts- und Philosophietradition gesetzt. Hier möchte ich die Gedanken von Hubert Markl einsetzen, der in einer "selbstverantwortliche(n) Abwendung vom altevolutionären Rattenrennen der Arten" ein "ganz neues Kapitel des Evolutionsprozesses" versteht, "in dem die Natur, die den menschlichen Geist dazu instand setzte, die eigenen Existenzbedingungen zu durchschauen, zu einer neuen Stufe der Entfaltung fortschreitet" (Markl, Hubert 1995, 206) .
 
 
 
 

Der Tod der Metaphysik:

"Den postmodernen Theoretiker zur Folge, stand die westliche Metaphysik mindestens seit Platon unter dem Bann der ´Metaphysik der Präsenz` [...] .

Für die postmodernen Theoretiker verbirgt die Suche nach dem Realen nur das Begehren der meisten westlichen Philosophen, die Welt ein für alle Mal zu beherrschen, in dem man sie in ein illusiorisches, doch absolutes System einschließt, das nach Meinung der Philosophen ein einheitliches Wesen jenseits von Geschichte, Besonderheit und Veränderung repräsentiert bzw. ihm entspricht [...] .

Insofern das Reale der Grund der Wahrheit ist, muß die (bzw. eine) Philosophie als privilegierte Repräsentation des Realen und Hinterfragung der Wahrheitsansprüche eine ´grundlegende` (foundational) Rolle in jedem positiven Wissen spielen" (Flax in Benhabib, 10).

Das Benennen der feministischen Skepsis gegenüber den Ansprüchen der transzendentalen Vernunft zeigt den dritten feministischen Kontrapunkt dieser Überlegungen. Das wichtigste ´erkenntnisleitende Interesse` beziehungsweise die wichtigste ´Matrix von Wahrheit und Macht` sind innerhalb der feministischen Theorie die Geschlechterbeziehungen und die gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische und symbolische Ausbildung von Geschlechterdifferenzen zwischen Menschen".

Gerade aber dadurch, daß das Subjekt der Philosophie und dadurch zwangsläufig auch das Subjekt der Vernunft kein über-geschichtliches und kontext-transzendentes Wesen ist, "vielmehr seine theoretischen und praktischen Werke und Tätigkeiten stets das Siegel des Kontextes tragen, aus dem sie hervorgehen", ist dieses Subjekt "unvermeidlich in erkenntnisleitende Interessen verwickelt, die seine Tätigkeiten prägen und leiten".

Trotz der dargestellten Aspekte einer möglichen "Wahlverwandtschaft" zwischen Feminismus und Postmoderne läßt die Deutung dieser Thesen "zumindest grundsätzlich abweichende theoretische Strategien" zu (S. 12) .
 
 

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